Meine Rede nach der Wahl zum Landesparteivorsitz
Sehr geehrte Damen und Herren,
werte Genossinnen und Genossen,
liebe Freundinnen und Freunde,
Danke, dass Sie alle kommen konnten, danke dass ihr alle da seid. Ich sehe hier Genossinnen und Genossen aus allen Organisationen und allen Bezirken Oberösterreichs – herzlich willkommen! Und ein ebenso herzliches Willkommen den vielen Vertreterinnen und Vertretern aus Medien, Kunst, Kultur, Wissenschaft und nicht zuletzt aus der Wirtschaft, die heute da sind.
Vielen Dank, dass Sie den Kontakt mit dem neugewählten Vorsitzenden der SPÖ in Oberösterreich suchen. Ich freue mich, dass Sie, dass ihr heute alle da seid.
Denn der heutige Abend soll insbesondere dem Kennenlernen, dem Vernetzen und dem Austausch dienen.
Vorweg möchte ich vor allem Danke sagen! Ich freue mich als Heimkehrer sehr über die herzliche Aufnahme und die breite Unterstützung, die ich in den letzten Wochen hier in Oberösterreich erleben durfte. Und es bewegt mich sehr, mit welcher Deutlichkeit mir die Mitglieder der SPÖ bei der heute zu Ende gegangenen Wahl ihr Vertrauen ausgesprochen haben.
Und ich verspreche euch: Ich werde alles tun, um mich dieses Vertrauens würdig zu erweisen. Damit wir 2027 ein deutlich besseres Ergebnis heimbringen, als ihr am Anfang dieses Wegs zu hoffen gewagt habt.
Ich danke euch und Ihnen allen!
Ich will bei dieser Gelegenheit aber nicht nur Danke für die letzten Wochen sagen.
Ich möchte auch ein paar grundlegende Worte über die Zukunft sagen. Ein paar Gedanken zu den aktuellen politischen Herausforderungen mit euch teilen. Im Zentrum stehen für mich dabei drei Begriffe: Erstens „Radikale Transformation“, zweitens „Selbstblockade des regelbasierten Systems“ und drittens „Rückkehr des Autoritären“.
Unsere Wissenschaft, unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft befinden sich – nicht zum ersten Mal – in einer tiefgreifenden und radikalen Veränderung, die durch die sogenannte Künstliche Intelligenz ausgelöst wird. Wir sind bereits mitten Drinnen.
Wenn unser 14-jähriger Enkelsohn mit seinen Freuden zusammensitzt und sie unterschiedlicher Meinung sind, dann fragen sie heute ChatGPT nach Antworten. Ein anderes Beispiel aus meiner früheren Firma. Unsere jüngeren Mitarbeiter haben KI-basierte Anwendungen entwickelt, deren Lösungswege ich schlicht nicht mehr verstehe – ich kann nur noch die Ergebnisse mit den echten Beobachtungen vergleichen und damit die Güte der Vorhersage überprüfen.
Irgendwie ist das schon gespenstisch. Bei vielen Menschen entsteht berechtigt der Eindruck, dass Unberechenbarkeit das Leben zu dominieren beginnt und die Planbarkeit immer mehr abnimmt.
Das führt zur weiteren Zunahme von Ängsten, die spätestens seit der Corona-Pandemie sowieso weit verbreitet sind. „Spätestens“ deshalb, weil ich die Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/08 als erste große Zäsur in diese Richtung betrachte.
Mit der radikalen Veränderung sind viele Fragen verbunden: Welche Arbeitsplätze bleiben erhalten und wie werden sich diese Arbeitsplätze verändern? Wie werden sich unsere Kinder und Enkelkinder in dieser Umbruchphase zurechtfinden? Wird sich die Dominanz der großen amerikanischen Technologiekonzerne verstärken? Oder werden diese von neuen disruptiven Technologien z. B. aus China abgelöst? Immer wieder hört man bei Gesprächen, dass diese neue Welle der Transformation als Zumutung empfunden wird. Muss schon wieder etwas Neues kommen? Offenbar dominiert der Pessimismus.
In Westeuropa befinden wir uns in einer der längsten friedlichen Entwicklungsphasen der Geschichte. Es wurde ein demokratisches und regelbasiertes System geschaffen, dass enorme Wohlstandgewinne für die Menschen in diesen Ländern mit sich gebracht hat. Durch die EU-Erweiterung wurden viele Länder Zentral- und Mitteleuropas in dieses System einbezogen.
Die Bürgerinnen und Bürger konnten sich in diesem demokratischen und regelbasierten System emanzipieren und historische Bindungen, Traditionen und Zugehörigkeiten verlassen. Die Menschen wurden damit freier, selbständiger und selbstbewusster. Ein Erfolg nicht zuletzt auch der Sozialdemokratie. Dieser Prozess endet aber nicht einfach in einem Gleichgewichtszustand, sondern er erzeugt auch Überhöhungen und Übertreibungen. Eine dieser Übertreibungen ist ein immer stärkeres Anspruchsdenken und eine immer stärkere Ich-Bezogenheit.
Werbung findet dafür heute oft die besten Sprüche und mit „Geiz ist Geil“ wurde die perfekte Botschaft für dieses ich-bezogene, schier grenzenlose Anspruchsdenken geschaffen. Dieses Anspruchsdenken flutet unsere regelbasierte Welt und führt unter anderem zu Klagswut, ewig dauernden Nachbarschaftskonflikten vor Gerichten, Geschäftsmodellen mit anwaltlicher Abschöpfungsunterstützung, Einsprüche gegen jedes und alles im öffentlichen Raum und so weiter.
Selbsternannte Robin Hoods zelebrieren mit medialer Unterstützung das Aufhalten wichtiger Infrastrukturprojekte für die Allgemeinheit. Vielfach landen wir damit in einem Zustand der Blockade, eigentlich einer Selbstblockade des regelbasierten Systems. „Nichts geht mehr“ ist leider die passende Zustandsbeschreibung geworden. Doch damit werden die Grundlagen unseres wirtschaftlichen Erfolgs, unseres Wohlstands und damit auch des Sozialstaats immer stärker gefährdet.
Wenn parallel dazu die Herausforderungen durch die radikale Transformation wachsen, dann wird offensichtlich, dass wir im regelbasierten System des Westens dringend neue politische Antworten benötigen.
Denn die selbsternannten Disruptoren stehen bereit und posieren mit Motorsägen, um die Blockaden des regelbasierten Systems in einem Gewaltakt zu beenden. Sie sind mit abschreckenden Persönlichkeitsmerkmalen wie dem Fehlen jedes Mitgefühls ausgestattet, was bei allen Menschen mit gesundem Verstand und intakten Instinkten Entsetzen und Abscheu auslösen müsste.
Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass Disruptoren so ähnlich klingt wie Raptoren aus Steven Spielbergs Film Jurassic Park, Raptoren, die alles Menschliche nur allzu gerne vertilgen. Sie sind bereit, alle Institutionen zu schleifen.
Und was uns dabei besonders nachdenklich machen sollte, ist ihre Wut gegen Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Universitäten. Hier zeigen sie ihr wahres Gesicht.
In einem Weltbild, in der die Wahrheit keinen Wert mehr hat, in der nur der Stärkere – oder der Lautere – Recht haben kann, ist das Streben nach Erkenntnis sinnlos. Eigenständiges Denken und kritischer Geist sind offenbar unerwünscht. Sie schrecken unter dem Schlagwort „Disruption“ auch nicht vor der Zerstörung von Gewerkschaften und dem Abbau jeglicher Mitbestimmung zurück. Obwohl auf der ganzen Welt erkennbar ist, dass Länder mit starken, freien Gewerkschaften den höchsten Lebensstandard für alle Bewohnerinnen und Bewohner bieten. Das dürfen wir keinesfalls vergessen!
Disruptoren bilden unheilige Allianzen mit verstaubten alten Rezepten. Es handelt sich dabei um eine globale Entwicklung. Diese reicht von Indien mit Modis Hindu-Nationalismus, der die Mörder Gandhis wieder rehabilitiert hat, über China, wo Ji Jing Ping eine Renaissance des Stalinismus durchgesetzt und die wenigen demokratischen Checks und Balances in der chinesischen Führung ausgehebelt hat, bis hin zu Putins faschistoidem System in Russland.
Mit Milei und Trump sind radikale Disruptoren inzwischen auch in westlichen Ländern an die Macht gekommen. Autoritäre und antidemokratische Kräfte finden ebenso in Europa immer mehr Zulauf. Unser Nachbar Ungarn ist bereits ein weltweites Musterland für den Rückbau der Demokratie geworden. In Österreich steht die FPÖ bereit für den Systemumbau und in Deutschland ist die AfD laut Umfragen inzwischen die Partei mit der größten Wählerzustimmung.
Die gute Nachricht ist, dass diese Wellen der autoritären Selbstberauschung nichts Neues sind.
Sie waren und sind mit epochalen Umbrüchen in Wirtschaft und Gesellschaft verbunden und – das ist der gute Teil der Nachricht – sie gehen auch wieder weg, wenn auch nicht konfliktfrei. Wir haben gesellschaftliches Wissen gesammelt, um diesen Herausforderungen zu begegnen.
Die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft und die neuesten technologischen Entwicklungen liefern uns die Lösungen für diese Herausforderungen gemeinsam mit unseren geschichtlichen Erkenntnissen mit. Die „radikale Transformation“ ist eine weitere menschengemachte Dynamik – und darum kann sie natürlich von uns Menschen gesteuert und in Richtung einer Verbesserung der Lebensumstände für die große Mehrheit der Menschen, wenn nicht sogar für Alle, gelenkt werden.
Putins Angriffskrieg in der Ukraine und andere militärische Disruptionen der modernen Raptoren können natürlich vom Rest der Welt militärisch eingedämmt und letztlich beendet werden. Kein Staat der Welt hat unendliche Ressourcen zum Führen von Kriegen – und das wirtschaftlich schwer angeschlagene Russland schon gar nicht. Es gibt also keinen Grund für politische Verzweiflung.
Dennoch reißen uns die drei oben beschriebenen Herausforderungen aus unserer Komfortzone – ganz besonders hier in Österreich. Wir müssen unseren Kindern und unseren Enkelkindern erklären, dass wir uns wieder verstärkt anstrengen müssen, um unserem regelbasierten Modell des Friedens und des breiten Wohlstands weiter zum Erfolg zu verhelfen.
Leistung und Arbeit sind klassische sozialdemokratische Begriffe. Es ist kein Zufall, dass die Sozialdemokratie am 1. Mai den Tag der Arbeit feiert. Denn: Die Sozialdemokratie steht für Arbeit und Leistung. Leistung ist wieder stärker gefordert und dazu müssen wir uns als erstes bekennen, um in dieser neuen Welt wieder Orientierung zu finden und zu bieten.
Wir müssen uns mit den anderen Parteien der politischen Mitte dazu durchringen, dass wir die Selbstblockaden des regelbasierten Systems reduzieren. Das ist keine einfache Aufgabe, aber die Dringlichkeit und Notwendigkeit wird von immer mehr Menschen erkannt und befürwortet. Viele Menschen sind verunsichert und verängstigt. Sie haben ihre Stimmen rechtsnationalen und teilweise rechtsextremen Parteien gegeben.
Sie deshalb pauschal als Dummköpfe, Ignoranten, Faschisten oder Nazis zu bezeichnen wäre ein schwerer Fehler. Wir müssen allen und gerade auch diesen Menschen mit mehr Respekt begegnen und ihre Anliegen ernst nehmen. Das heißt nicht der Welle der autoritären Berauschung zu folgen, sondern andere und vor allem: bessere Antworten zu geben.
Diese Suche nach besseren politischen Antworten sollten wir unter dem Banner des zweiten politischen Leitbegriffs „Respekt“ durchführen.
Die Sozialdemokratie steht für Respekt wie keine andere politische Bewegung. Das gilt ganz besonders für den Respekt vor Menschen, die etwas leisten, die etwas zu unserer gemeinsamen Zukunft beitragen.
Als dritten politischen Leitbegriff müssen wir uns als Sozialdemokratie „Sicherheit“ wieder zurückholen. Die wachsende Unsicherheit durch massenhafte Migration und Fluchtbewegungen können wir nicht ignorieren. Zunehmende Delikte mit Messern oder Gewalt gegen Frauen dürfen wir nicht bagatellisieren. Wir müssen in diesen Fragen klare Kante zeigen.
Wir müssen klar machen, dass die deutsche Sprache die Voraussetzung für ein funktionierendes Zusammenleben in Österreich ist. Nur wenn die Menschen miteinander reden können, ist ein gutes Miteinander in einer Gesellschaft möglich.
Wir werden uns aber auch klar von der FPÖ unterscheiden, wenn es um die Leistungsträger geht, die hier in Oberösterreich seit Jahrzehnten brav und fleißig arbeiten, aber nicht die Staatsbürgerschaft erhalten können, weil sie im Reinigungsgewerbe oder in der Pflege zu wenig Geld dafür verdienen. Diese Leistungsträger müssen und wollen wir anständig behandeln und als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft und Staatsbürger aufnehmen.
Hier gibt es mehr als genug Herausforderungen, damit wir unsere öffentlichen Gesundheits-, Pflege- und Pensionssysteme zukunftsfit machen.
Wenn autoritäre Parteien eine neue Hochblüte feiern, dann kommt auch wieder ein historischer Moment für die Sozialdemokratie. Denn: Die Sozialdemokratie ist in der Geschichte immer auf der richtigen Seite gestanden und hat den Versuchungen des Autoritarismus nie nachgegeben. Die Menschen in Österreich können sich darauf verlassen – und das müssen wir den Jüngeren wieder erzählen –, dass wir uns gegen diese autoritären Entwicklungen stellen, so wie unsere politischen Vorfahren gegen die beiden Faschismen im Land aufgestanden sind. Tausende haben das mit dem Leben bezahlt oder wurden in den KZs der Nazis gefoltert.
Die Raptoren-Vorfahren der FPÖ waren hingegen immer auf der falschen Seite der Geschichte. Sie haben wie der Vater von Jörg Haider oder der FPÖ-Gründer Anton Reinthaller an der Zerstörung der ersten Republik aktiv mitgewirkt. Sie haben unser schönes Land zuerst verraten und dann in Schutt und Asche gelegt. Die politische Verantwortung dafür wollen sie bis heute nicht übernehmen. Es fehlt ihnen einfach an Anstand und Rückgrat.
Was letztlich am meisten für mehr Optimismus spricht: Am Ende hat sich die Demokratie durchgesetzt.
Und auch heute stehen unsere Chancen sehr gut, dass sich Demokratie und wirtschaftlicher Fortschritt in Zusammenarbeit und im politischen Ringen mit den anderen Parteien der politischen Mitte wieder durchsetzen werden. Wir werden als Sozialdemokratie die dafür notwendige Ernsthaftigkeit an den Tag legen.
Mit den politischen Leitbegriffen Leistung, Respekt und Sicherheit wollen wir in Oberösterreich voran gehen und die Menschen im Land einladen, damit sie die SPÖ unter meiner Führung wieder zu einer wesentlichen politischen Kraft in Oberösterreich machen.
Dafür bitte ich um Ihre und eure Unterstützung. Weil unser wunderschönes Oberösterreich – mit seinen vielen liebenswerten Menschen – eine gute, eine bessere Zukunft verdient hat. Das Projekt 2027 hat soeben begonnen. Es freut mich sehr, dass Sie, dass Ihr alle dabei seid. Danke!